Online Diskussion - Der Rechtsstaat als Firewall für die Menschenrechte

Online Diskussion - Der Rechtsstaat als Firewall für die Menschenrechte
Online Diskussion — Der Rechtsstaat als Firewall für die Menschenrechte mit Gyde Jense, Arian Kriesch, Patrick Sauter und Manuel Reiger

Die Bundestagsabgeordnete Gyde Jensen, die seit 2018 Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe ist, beschrieb in ihrem Impuls zu Beginn der Debatte, wie sie ein Abdriften einiger osteuropäischer Länder beobachte. Allen voran würde Russlands Staatschef Vladimir Putin ständig seine Grenzen austesten wie mit dem Anschlag im Tiergarten, dem Anschlag auf den russischen Oppositionellen Alexei Navalny oder mit einem Hackerangriff auf den Bundestag. Und das, obwohl Russland sich als Mitglied im Europarat dazu verpflichtet habe, die europäische Menschrechtskonvention zu achten und zu verteidigen. Zum Energieprojekt Nord Stream 2 erläuterte Jensen neben den wirtschaftlichen Aspekten des Projekts auch seine politische Tragweite. Man müsse den Vorfall Navalny transparent aufarbeiten und ein Moratorium mit Russland vereinbaren, sonst mache man sich unglaubwürdig. Nord Stream 2 wäre wichtig, um die Einigkeit auf dem europäischen Kontinent zu sichern. Mit dem Blick auf China beschrieb Jensen, wie in Hongkong die Rechtsstaatlichkeit Stück für Stück abgeschafft werde. „Wirtschaftliche Beziehungen sind keine Einbahnstraße.“, so Jensen. Um deutsche Unternehmen und Investoren in das Reich der Mitte zu locken, müsse man Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit aufbauen.

Patrick Sauter von Amnesty International Aalen blickte mit Sorge auf die EU- Staaten Polen, Ungarn und Bulgarien. In diesen Staaten sei am deutlichsten ein Abdriften weg vom Rechtsstaat und hin zu extremistischen Regimen zu beobachten. Als Beispiel führte er an, wie der ungarische Staatschef Viktor Orbán die öffentlichen Medien gleichgeschaltet habe, private Medien aufkaufen ließe und den Druck auf Journalisten und die Zivilgesellschaft immer weiter erhöht habe. In Bulgarien seien nun rechtsextreme Parteien in den Kabinetten zu finden, die sich gegen die Volksgruppe der Roma richteten. Er mahnte, dass diese Veränderungen langsam begönnen und immer weiter Form annähmen. „Erst sind kleine Rechte betroffen, dann mittlere Rechte und dann werden die großen Rechte verletzt.“, so Sauter. Sauter mahnte, dass Sicherheit und Gesundheit wichtig seien, aber deswegen nicht die Freiheitsrechte verletzt werden dürften.

FDP-Landtagskandidat Manuel Reiger machte deutlich, wie wichtig er die Rolle der FDP als Rechtsstaatspartei sieht. „In Zeiten, in denen in den USA Wahlen lange vor ihrer Durchführung angezweifelt würden, haben es der Rechtsstaat und das Vertrauen in ihn nicht leicht.“, so Reiger. Er machte darauf aufmerksam, dass seit fast einem Jahr Deutschland wegen der Corona-Krise durch Rechtsverordnungen regiert würde. Dies sei äußerst kritisch zu betrachten. Aus seiner Tätigkeit als Anwalt berichtete Reiger allerdings auch von Lichtblicken: So müssten sich nun Handlanger des syrischen Regimes in Koblenz vor Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Erst durch das Weltrechtsprinzip sei es möglich, Gerichtsprozesse durchzuführen, die in den Ursprungsländern nicht denkbar wären. Aber solange große Demokratien nicht den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag achten würden, leidet die Glaubwürdigkeit.

FDP-Bundestagskandidat Arian Kriesch führte durch die Diskussion und gab den Zuschauern die Möglichkeit Fragen direkt an die Diskutanten zu richten. Kriesch, der mit anderen Liberalen 2014 für die „nun erschreckenderweise wieder und immer noch aktuelle Regenschirmrevolution in Hongkong“ über soziale Medien Unterstützer gesammelt und informiert hatte, resümierte, dass die Freiheit nicht für die Sicherheit geopfert werden dürfe. „Freiheit und Menschenrechte gehören zusammen und müssen auf der internationalen Bühne wieder mehr Gewicht bekommen, am besten durch eine stärkere, gemeinsame Stimme der EU“, so Kriesch.