Rede der FDP zum Haushaltsentwurf 2022 der Stadt Aalen
Die Rede von für die Gruppe FDP zum Haushaltsentwurf der Stadt Aalen für 2022 wurde am 16. Dezember 2022 von Arian Kriesch in der Sitzung des Gemeinderates vorgetragen. Schwerpunkte sind die geplante Steigerung der städtischen Verschuldung bis 2025, Investitionen in Wachstum der Stadt, Infrastruktur, Bildung und Kinderbetreuung, sowie Kritik an den aus dem Ufer laufenden Kosten für das geplante Kombibad und den Fußgängersteg zum Aalener Stadtoval.
Arian Kriesch spricht für die Gruppe FDP-FW im Gemeinderat der Stadt Aalen
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Frederick Brütting,
sehr geehrte Bürgermeister Herr Steidle und Herr Ehrmann,
sehr geehrte Frau Stadtkämmerin Faußner,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderates,
sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,
es ist der erste Haushaltsentwurf unter der Leitung unseres neuen Oberbürgermeisters, mit der gewohnt sicheren Hand unserer bewährten Stadtkämmerin Frau Faußner.
Lieber Herr Brütting, in ihren Bewerbungsreden hatten Sie viele Gestaltungsvorschläge für unsere Stadt, mit denen Sie auch – zurecht – die Wahl gewonnen haben. Eine vierte Coronawelle, wie sich derzeit abzeichnet, hätten wir uns allen und auch Ihnen nicht gewünscht.
Aber das eigentliche Zeichen, unter dem dieser Haushalt und der Mittelfristplanung zufolge auch die Haushalte der nächsten Jahre stehen, ist das einer enormen Mehrverschuldung.
Und das sind die verzögerten Auswirkungen der Entscheidungen der letzten Jahre in diesem Haus und im Gemeinderat. Sie hatten es, wie viele von uns, geahnt und einen „Kassensturz“ angekündigt. Vielen Dank für die neue Transparenz. Ich bitte Sie, diese beizubehalten. Nicht der Überbringer einer Botschaft sollte für die Botschaft geradestehen.
Glück im Unglück, dass unsere Steuereinnahmen weniger eingebrochen sind, als wir das durch die Corona-Pandemie erwartet hatten. Dass unsere Aalener Unternehmen, groß wie klein, unsere Bürgerinnen und Bürger die Coronakrise wirtschaftlich, bei allen Härten im Einzelfall, bislang besser verkraftet haben. Bislang.
Liebe Frau Faußner, Sie haben sich kurz vor dem Amtsantritt von Herrn Brütting mit einem Brandbrief an uns Mitglieder des Gemeinderates gewandt. Behalten wir diesen im Kopf, wenn wir über den Haushalt 2022 diskutieren. Es geht um die Genehmigungsfähigkeit unserer Haushalte und um die Kreditfähigkeit unserer kommunalen Unternehmen in den nächsten Jahren. Lassen Sie uns konservativ planen. Zusätzliche negative Überraschungen durch z.B. Spätwirkungen der Corona-Krise können wir uns nicht erlauben.
Oberbürgermeister Rentschler sprach vor einem Jahr in seiner Haushaltsrede noch von „möglicherweise bis zu 60 mEUR Darlehensstand 2024“.
Bis 2025 sehen wir in der Mittelfristplanung 87 mEUR Schulden, d.h. pro Kopf 1280 EUR. Eine Verdreifachung gegenüber 2020 pro Kopf 482 EUR. Wir überschreiten damit das von uns als Gemeinderat selbst gesetzte Verschuldungslimit von 80 mEUR.
Es ist eine Leistung, die Verschuldung auf ein so niedriges Niveau zu senken, wie wir Aalener es vor wenigen Jahren noch hatten. Es ist leicht, mit dem Geld der zukünftigen Generationen Denkmäler zu bauen und noch leichter, politische Entscheidungen hierfür zu fällen, die den Nachfolgern die Gestaltungsspielräume nehmen.
Die bis 2025 explodierende Verschuldung unserer Stadt droht dieser und zukünftigen Generationen jeden Gestaltungsspielraum zu rauben.
Wir Liberale bleiben dabei, wir dürfen uns nicht verleiten lassen, in einer Niedrigzinsphase die Schulden aufzunehmen, die uns bei beschlossenen Großprojekten noch den letzten Atem nehmen könnten. Dann, wenn die Zinsen bei sich nun abzeichnender zunehmender Inflation in wenigen Jahren anziehen. Schon in der jetzigen Planung zieht die Tilgung im Haushaltsplan bis 2025 ohne Zinssteigerungen um rund ein Drittel an.
Wir mahnen bei allen noch beeinflussbaren und zukünftigen Bauprojekten an: Wir dürfen uns nicht in jeder zweiten Gemeinderatssitzung wieder davon überraschen lassen, dass der Baukostenindex seit Jahren steigt. Wir liegen mit den Kostensteigerungen unserer Projekte sogar regelmäßig erheblich darüber.
Investitionen sind das eine, unsere konsumtiven Ausgaben steigen ebenfalls steil – auch die Personalausgaben. Wir beantragen, dem gegenzusteuern. Es geht dem Einzelplan zufolge nicht nur um die nötigen zusätzlichen Kita-Stellen (Verhältnis +50% - 2020 4,0 mEUR auf 2025 6,6 mEUR direkte Personalkosten plus jew. ext. Träger). Während die Einwohnerzahl Aalens über die letzten Jahre stagnierte, dürfen unsere Ausgaben für die Verwaltung nicht steigen. Wir beantragen, systematisch die Digitalisierung unserer Organisation zu stärken, Effizienzen zu steigern, Aufgaben wie den IT-Support möglichst weitgehend extern zu vergeben und Führungsaufgaben so zu entwickeln, dass weniger Kosten im Management entstehen.
Weshalb stagniert die Einwohnerzahl Aalens über die letzten 10 Jahre? Wir müssen Aalen zum attraktiven Magneten für all die Menschen und Unternehmen machen, die überlegen, zu uns auf die Ostalb zu ziehen. Wir dürfen uns nicht mit stagnierenden Einwohnerzahlen zufriedengeben, während in der Region tausende zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Setzen wir nachhaltiges mutiges Wachstum als ein Ziel unserer Entscheidungen im Gemeinderat.
Bei Debatten um neue Wohngebiete und der Innenentwicklung in diesem Gremium sollten wir ins Zentrum stellen, so schnell wie möglich mehr attraktiven und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Geben wir jungen Familien und allen Generationen die Chance, Aalen zu bereichern und zu vergrößern. Das ist auch der Kernauftrag unserer Wohnungsbau Aalen GmbH.
Ein attraktiveres, wachsendes Aalen braucht eine bessere Verkehrs-Infrastruktur. Daran arbeiten wir in Aalen kontinuierlich mit Bauprojekten. Lassen Sie uns in der aktuellen Phase insbesondere kostengünstige Potentiale heben. Schaffen wir ein effizientes, digitales Parkleitsystem und Verkehrsleitsystem, dass die verbreiteten und sich immer stärker durchsetzenden Plattformen und Plattformoffenheit berücksichtigt. Machen wir es attraktiver und leichter, in unsere schöne Innenstadt zu kommen, gerade wenn für immer mehr in der Pandemie die Versuchung von Amazon zur erzwungenen Gewohnheit wurde. Setzen wir dabei wenn möglich, an dem im September gestarteten Projekt InKoMo auf.
Wir unterstützen OB Brütting in einem weiteren Punkt seiner Rede: Es darf, erst recht in der derzeitigen Situation, keine Steuererhöhungen geben. Wir wollen mehr Gründungen in Aalen und mehr Firmen, die zu uns ziehen.
Wichtiger Standortfaktor aber leider immer noch nicht überall selbstverständlich: Hoher Bildungsstandard und zuverlässige, flächendeckende Ganztagsbetreuung. Wir Liberalen unterstützen die klaren Aussagen von OB Brütting und notwendigen Entscheidungen der letzten Jahre zur Modernisierung unserer Bildung und Betreuung. Wir haben unsere Ziele noch nicht erreicht. Hieran dürfen wir nicht sparen.
Aber die Kosteneffizienz müssen wir durch bessere Planung steigern. Dass jedes zweite bis dritte Kita-Bauprojekt neben den zeitlichen Vorgaben auch die geplanten Finanzierungsrahmen sprengt, weist auf eine schlechte oder intransparente Planung hin. Wir beantragen, dass bei zukünftigen Entscheidungen über neue Kitas im Gemeinderat eine Frist mit beschlossen wird, bis zu der freie Träger den Bau beginnen und umsetzen. Nur so verhindern wir, dass uns zu erwartende Baukostensteigerungen regelmäßig negativ überraschen. Wir wollen, dass das Geld, das wir in Kitas stecken, auch bei den Kindern und Eltern ankommt und dass wir als Gemeinderat ehrlich wissen, was wir beschließen.
Wir stehen, wie der Oberbürgermeister, zum ambitionierten aber dringend notwendigen Medienentwicklungsplan mit seinen 25 mEUR, natürlich auch zum endlich getroffenen Minimalkompromiss für die Raumlüfter an den Schulen – danke an die Bürgerinitiative, die dem Gemeinderat noch einmal den scheinbar nötigen Schub gegeben hat.
Wenn wir über die zukünftigen Generationen sprechen: Jugendgemeinderat. Schaffen wir endlich die Beteiligungsmöglichkeit für Jugendliche in den sie betreffenden Investitionsfragen. Auch in der derzeitigen Situation beantragen wir die Bereitstellung der notwendigen Mittel, für die hoffentlich bald durch uns als Gemeinderat zu beschließende Schaffung einer echten Vertretung der Jugendlichen in Aalen. Auf Bundesebene schafft nun die Ampel endlich die Grundlage für das Wählen ab 16. Noch viel wichtiger ist das Erlebnis der Jugendlichen, vor Ort Ihre Stadt demokratisch mitgestalten zu können. Ich erinnere mich positiv an die Anekdoten unseres neuen OBs, wie er als Jugendlicher zur Politik kam und ich teile diese wichtigen Erfahrungen, wie sicherlich viele andere, die sich ehrenamtlich politisch engagieren.
Wir dürfen die Großprojekte, die der Gemeinderat in den letzten Jahren auf Schienen gesetzt hat nicht entgleisen lassen. Wir brauchen kreative Kompromisse und Lösungen, damit diese nicht zur Bleikugel am Bein unseres zukünftigen Gestaltungsspielraumes werden. Wir werden nicht jede demokratisch gefällte Entscheidung neu in Frage stellen. Aber auch ein Gemeinderat muss sich selbst die Chance geben, seine Einschätzungen auf Basis von neuen Informationen wie Kostensteigerungen um ein Drittel, neu abzuwägen. Wer würde dasselbe Auto ohne mit der Wimper zu zucken zu 30% höherem Preis erhalten, aber ohne Winterreifen?
Beim Kombibad muss nach einem Jahr der stets alternativlosen, aber angeblich finalen Kostensteigerungen zum aktuellen Crescendo, Schluss sein mit der Scheibchentaktik. Wir haben gerade – leider – mehrheitlich die letzte Kostensteigerung auf 53 mEUR abgenickt. Die nächste kommt bestimmt. Wir beantragen eine planvollere Schadensbegrenzung: Jetzt, nicht wenn es wieder zu spät ist, soll eine Liste von Streichungsoptionen mit realistischer Berechnung der Auswirkung auch im späteren Planungsstand erarbeitet werden und uns vorab als Gemeinderäte vorgelegt werden. Wir wollen alle ein schönes Bad. Das Ergebnis darf nicht sein, dass wir „alternativlos“ Eintrittspreise erheben müssen, die unsozial sind und unsere Bürgerinnen und Bürger zum Schluss gar nichts von ihrem Bad haben. Es darf auch nicht sein, dass wir in einigen Jahren, wenn wir als BürgerInnen gezahlt haben, zu einem nachträglichen PPP gezwungen sind oder an anderer Stelle, eigentlich inakzeptable Entscheidungen, zu anderen Bädern oder den Stadtwerken treffen müssen.
Thema Rathaussanierung: Wir beantragen, dass weitere Schritte über die von uns zuletzt beschlossenen dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen für 1,6 mEUR auf die Zeit nach der Covid-19-Pandemie und nach vollständiger Kostenklarheit im Projekt Kombibad verschoben werden.
Zum Kostentreiber Fußgängersteg zum Stadtoval: Lassen Sie uns noch einmal kreativ neu denken. Das Ziel ist die sichere, zuverlässige, schnelle Anbindung unseres schönen neuen Quartiers an die Innenstadt und den Bahnhof. Wie bekomme ich mit diesen Anforderungen Fußgänger und besser als der Steg, auch ältere, eingeschränkte BürgerInnen über die Schienen?
Unser Vorschlag: Statt des Stegs fährt ein autonomer, elektrischer Kleinbus, wendig und mit 15 km/h, durch die bestehende Unterführung und verbindet das Stadtoval und den Kulturbahnhof mit Zwischenhalt direkt am Bahnhof. Einen vergleichbaren autonomen Bus hat die Gemeinde Bad Birnbach seit Jahren mit der Deutschen Bahn als Betreiber im Einsatz, mittlerweile in der zweiten Iteration. Eine solche „coole“, ökologische und vielleicht etwas futuristische Lösung wäre, falls finanziell und technisch machbar, das richtige Aushängeschild für eine wachsende, zukunftsorientierte Stadt des Fortschritts, die den Strukturwandel positiv und bürgerzentriert nutzt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir Liberalen sehen unsere Anträge und Nachfragen als Vorschläge im gemeinsamen Wettstreit um die besten Ideen. Wir wollen mit Ihnen vorausschauen, nicht auf versenkte Gelder konzentrieren, sondern dazu beitragen, wie wir mit den Umständen von Corona und den Erblasten, die wir haben, die Verschuldungsexplosion für die nächsten Jahre dämpfen helfen, so gut es noch möglich ist; Zukünftige Gestaltungsspielräume schaffen und unsere aktuellen Spielräume mit kreativen Lösungen erweitern. Wir unterstützen gerne auch alle guten Vorschläge mit diesem Grundsatz aus Ihren Fraktionen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!